Biologische Netze und ihr zweifelhafter Nutzen

Ob Leistenbruch, Nabelbruch oder Narbenbruch, häufig besteht bei Bauchwandbrüchen die Gefahr, dass Teile des Darms durch die Öffnung in der Bauchwand treten, dort eingeklemmt werden und schließlich absterben können. Da ein solcher Bruch nicht von allein wieder verheilt, ist meist eher früher als später eine Operation nötig. Ob aber nun Netzimplantate aus Kunststoff ausreichen oder es immer ein biologisches Implantat sein muss, darüber streiten sich die Experten. Eine Studie aus den USA bringt Licht in dieses Dunkel und stellt fest: Biologische Netzimplantate sind einfach nur teuer, aber nicht unbedingt besser.

Hernien-Operation
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Die Gretchenfrage: Welches Netzimplantat ist besser?

Unbehandelt werden Hernien über die Jahre in der Regel immer größer. Die Größe des Bruchs jedoch spielt allerdings nicht die alleinige Rolle, wenn es darum geht, sich für oder gegen eine Operation zu entscheiden. Wichtiger ist, ob innere Organe durch die Bruchpforte treten und dabei eingeklemmt werden können. Das ist lebensgefährlich, da der eingeklemmte Darmabschnitt unter Umständen von der Blut- und Sauerstoffversorgung abgeschnitten ist und abstirbt. Ärzte raten deshalb zu einer frühen Operation der Hernie: Zum einen, um das Risiko von Einklemmungen zu verringern, zum anderen aber auch, um die Größe des operativen Eingriffes so klein wie möglich zu halten.

Für größere Hernien im Bauchraum werden Netzimplantate empfohlen, die in der Bauchhöhle vernäht werden und die Bruchpforte auf diese Weise verschließen. Kunststoffnetze sind bereits seit Längerem im Einsatz, können allerdings bei Entzündungen oder bei kontaminierten Hernien nicht eingesetzt werden. Die Kunstfasern würden die Entzündungen weiter begünstigen.

In dieser Situation erhalten die seit einigen Jahren in Deutschland verfügbaren biologischen Netzimplantate den Vorzug. Sie fördern angeblich keine zusätzlichen Entzündungen. Bewiesen ist dieser Nutzen der Bionetze allerdings nicht.

US-Studie sieht keine Vorteile der biologischen Netze

Die Studienlage zum Nutzen biologischer Netzimplantate ist momentan nicht ausreichend, um eine abschließende Aussage treffen zu können. Die Studienautoren der erwähnten Arbeit aus den USA fanden lediglich 20 verwertbare Veröffentlichungen, wobei nur drei echte Vergleichsstudien darunter waren. Randomisierte, klinische Untersuchungen fehlten zudem ganz. In der Gesamtschau (Metaanalyse) der verfügbaren Studiendaten fiel auf, dass diese keinerlei Standards für einen echten Vergleich zwischen synthetischen und biologischen Netzen folgten.

Darüber hinaus schwankten die Zahlen der Rezidive, d. h. das Risiko dafür, dass ein Bruch selbst nach einer erfolgreichen Operation wieder auftritt, sowie der Komplikationsrisiken erheblich zwischen den Einzelstudien.

Die Zulassung für biologische Netzimplantate in den USA erfolgte außerdem allein aufgrund des Arguments, dass diese nicht schlechter seien als die synthetischen Netzimplantate. Ein wirklicher Zusatznutzen bleibt daher nach wie vor unbewiesen.

Zusammenfassung

Biologische Netzimplantate werden in Deutschland gern in der chirurgischen Therapie von Bauchwandhernien eingesetzt. Eine wirkliche Rationale lässt sich dafür allerdings bisher in der medizinischen Fachliteratur nicht finden.

Einzig bei entzündlichen Vorerkrankungen, wenn synthetische Netze aufgrund des höheren Entzündungsrisikos nicht eingesetzt werden können, scheinen die biologischen Äquivalente besser geeignet zu sein. Bewiesen ist dies jedoch nicht.

Nur der Preis für die biologischen Netzimplantate – er ist etwa 3,5-fach höher als die konventionell eingesetzte Synthetikvariante – ist ein gesicherter Fakt.


von Die Redaktion. 08.01.2018